Lebensraum für Kinder und Studenten
Mitten im begehrten Frankfurter Nordend schafft die katholische Kirche bezahlbaren Wohnraum für Studenten und eine bilinguale Kita
Leichtigkeit, Lust am Abenteuer und einen langen Atem, das wünscht - frei nach Carlo Collodis Kinderbuchklassiker "Pinocchio" - die Dezernentin für Kinder, Jugend und Familie des Bistums Limburg, Beate Gilles, beim Einweihungsfest im Frankfurter Nordend. Ein Wunsch, der zutreffender nicht sein könnte an diesem sonnigen Freitagnachmittag (6. September). Eingeweiht wird nämlich ein neuer attraktiver Lebensraum, speziell für Kinder und junge Erwachsene: Am Rande der Frankfurter Innenstadt hat der Gesamtverband der Katholischen Kirchengemeinden in Frankfurt eine deutsch-italienische Kindertagesstätte namens "Pinocchio" und ein Studentenwohnheim errichtet, das nach den Brüdern Bernhard und Ludwig Becker aus dem Nordend benannt ist.
"Die Lüge hat hier keinen Platz", erinnert Stadtdekan Johannes zu Eltz, der Haus und Bewohner segnet, an das wohl dunkelste Kapitel deutscher Geschichte, das sich an diesem Ort im Schicksal der katholischen Becker-Zwillinge manifestiert. Die beiden 1914 geborenen Jungen gehörten zur Pfarrei St. Bernhard im Nordend, beide leisteten als junge Erwachsene aus ihrem Glauben heraus dem Nazi-Regime Widerstand. Während Bernhard Becker 1937 in der Haft von der Gestapo in den Tod getrieben wurde, nahm sich Ludwig Becker, der den Tod seines Zwillingsbruders nie verwand, 1971 von Depressionen gepeinigt, das Leben. Als Künstler hatte er nach dem Krieg unter anderem die Glasfenster für die Pfarrkirche St. Bernhard und den in diesem Sommer wieder entdeckten und renovierten Mosaik-Kreuzweg in Liebfrauen geschaffen.
100 Kinder und 56 Studenten
Die Stadträte Mike Josef und Jan Schneider dankten dem Gesamtverband der katholischen Kirchengemeinden in Frankfurt, dass er hier neuen, hochwertigen, aber bezahlbaren Wohnraum für Studenten schafft und 100 Kindergartenplätze für 0- bis Sechsjährige eingerichtet hat, die zweisprachig - deutsch und italienisch - aufwachsen. Rund sieben Jahre dauerte die Entwicklung der neuen Wohn- und Spielmöglichkeiten. 2016 hatten die Rohbauarbeiten für das siebengeschossige Gebäude begonnen. Zuvor war das Bestandsgebäude „St. Martin“ zum überwiegenden Teil abgerissen worden, der Kindergarten wurde zwischenzeitlich ausgelagert. Seit Juni können die Kinder in sechs Gruppen wieder im Unterweg in der bilingualen Kita „Pinocchio“ betreut werden. Zum 1. September sind auch alle 56 Apartments über den zuständigen Bauverein katholische Studentenheime vermietet. Die Zimmer sind zweckmäßig eingerichtet und verfügen über ein eigenes Bad. Die Bewohner einer Etage teilen sich jeweils einen Gemeinschaftsraum mit Küche. Die Miete beträgt 350 Euro. Die Zimmer stehen allen offen, unabhängig von Religion oder Herkunft.
„Eine besondere Herausforderung bei diesem Projekt war der Entwurf eines Gebäudes, das auf engstem innerstädtischem Raum maximale Aufenthaltsqualität und Vielfalt für zwei Generationen mit unterschiedlichen Bedürfnissen bietet. Zur Realisierung dieser Aufgabe wurden auch unkonventionelle Lösungen herangezogen, so zum Beispiel die Brücke im Außenbereich. Sie dient gleichzeitig als Fluchtweg und als Garten für die Kita“, erläuterte Gunther Götz, Architekt vom Büro BGF+ Architekten (Wiesbaden), den ungewöhnlichen Grundriss im dicht bevölkerten und bei jungen Leuten und Familien sehr begehrten Nordend.
Kosten von 13 Millionen
Die Baukosten für den Neubau belaufen sich auf rund 13 Millionen Euro; etwa 5,5 Mio. Euro entfallen auf die Kita Pinocchio, 7,5 Mio. Euro auf das in Passivhausbauweise entstandene Studentenwohnheim. Mitfinanziert wurde der Bau von der Stadt Frankfurt, dem Land Hessen und dem Bistum Limburg. Knapp vier Millionen brachte der Gesamtverband der katholischen Kirchengemeinden als Bauherr auf.